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Die Vorstellung der IS-Kurve wird inhaltlich relativ wenig neue Erkenntnisse vermitteln. Dennoch ist dieser Abschnitt unverzichtbar, weil die Kurve zu den wichtigsten makroökonomischen Analyseinstrumenten zählt. Von der Konstruktion her ist sie der LM-Kurve sehr ähnlich, ihrem Pendant auf dem Geldmarkt, das wir später kennen lernen werden und mit der sie zum IS-LM-Modell verschmilzt.

Es ist unschwer zu erraten, dass das "I" in IS-Kurve für Investitionen und das "S" für Sparen steht. Wenn man noch das Wort "gleich" hinzu nimmt, kann man die Kurve umständlich, aber zutreffend als "Investieren-gleich-Sparen-Kurve" bezeichnen. Analytisch ist sie durch

[1]       I = S

oder etwas ausführlicher, um den ex-ante-Charakter deutlich zu machen, durch

[2]       [2]                    (IS-Kurve)

gegeben.

Da die Interner LinkÜbereinstimmung von geplantem Sparen und geplanten Investitionen die Übereinstimmung des geplanten gesamtwirtschaftlichen Angebots und der geplanten gesamtwirtschaftlichen Nachfrage anzeigt, beschreibt die IS-Kurve Gleichgewichte auf dem Gütermarkt. In dieser Feststellung liegt auch schon die wesentliche inhaltliche Neuigkeit dieses Abschnitts, falls es Ihnen nicht ohnehin schon klar war: In einem Modell mit variablem Zins existiert für jede Zinshöhe ein Einkommen, das Sparen und Investieren in Übereinstimmung bringt. Das bestätigt sofort ein Blick auf Gleichung [2]. Durch die Vorgabe eines Zinssatzes ist die linke Seite der Gleichung eindeutig bestimmt. Durch die Wahl eines geeigneten Einkommens kann dafür gesorgt werden, dass die rechte Seite der Gleichung denselben Wert annimmt. Wird ein anderer Zinssatz vorgegeben, dann ist natürlich ein anderes Einkommen erforderlich, den Ausgleich herzustellen. Die Sammlung all' dieser Zinssatz-Einkommen-Kombinationen ergibt die IS-Kurve.

Ohne jede geometrische Konstruktion werden wir uns schon klar machen können, welchen Verlauf die IS-Kurve zeigen muss. Dazu nehmen wir an, Gleichung [2] sei zunächst erfüllt. Nun sollen sich - aus welchen Gründen auch immer - die Zinsen erhöhen. Die Folge wird sein, dass die Investitionen fallen und somit I(i) < S(Y) gilt. Um die Gleichheit wieder herzustellen, muss das Einkommen sinken, da mit fallendem Einkommen das Sparen zurückgeht. Steigende Zinsen gehen also mit fallendem Einkommen einher. Die dahinter stehende Wirkungskette ist folgende: Die steigenden Zinsen verteuern die Finanzierung der Investitionen. Der Rückgang der Investitionsnachfrage löst einen kontraktiven Multiplikatorprozess aus, in dessen Verlauf das Einkommen fällt.

Wir konstruieren die IS-Kurve auf drei leicht voneinander verschiedene Arten. Je nachdem, welches Lehrbuch Sie parallel zu diesem Text lesen, werden Sie eine darin bestimmt wieder finden. Für die drei alternativen Konstruktionen verwenden wir das Zahlenbeispiel aus dem Abschnitt "Interner LinkDas Gleichgewicht bei autonomen Investitionen" und ergänzen es um die zinsabhängige Investitionsnachfragefunktion aus demInterner Linkvorigen Abschnitt. Die Diagramme sind jeweils maßstabsgetreu.

[3]       [3]

[4]       [4]

[5]       [4]

Die erste Konstruktion in Abbildung 1 besteht aus einem Doppeldiagramm. Ohne Mausaktion sehen Sie das bereits fertige Diagramm mit dem keynesianischen Kreuz in der oberen Hälfte und der IS-Kurve in der unteren Hälfte. Neben den Diagrammen finden Sie maussensitiven Text, der Ihnen die Konstruktion in drei Schritten erklärt. Dazu bewegen Sie die Maus zunächst so in den Absatz "Die Ausgangssituation", dass der Texthintergrund farbig wird. Sie sehen oben das bereits mehrfach betrachtete Gleichgewicht für Investitionen in Höhe von 100. Investitionen in dieser Höhe werden nach Maßgabe der Investitionsnachfragefunktion bei einem Zinssatz in Höhe von 5 getätigt. Das untere Diagramm wird momentan durch eine Zins- und eine Einkommensachse aufgespannt und ist ansonsten leer. Die Einkommensachse ist in beiden Teildiagrammen gleich skaliert, so dass das Lot vom oberen in das untere Diagramm gefällt werden kann.

"Scrollen" Sie die Seite nun möglichst so, dass Sie das gesamte Diagramm sehen können (schalten Sie ggf. die Menuleisten Ihres Browsers ab - meist mit der Funktionstaste F11), und bewegen Sie die Maus über "Schritt 1" und "Schritt 2" zum Absatz "Schritt 3".

Abbildung 1

Abb.

Mausensitives Diagramm: Wenn Sie die Maus in den Text rechts neben der Abbildung bewegen, können Sie die Entwicklung des Diagramms verfolgen.

 

Die Ausgangssituation: Bei einem Zinssatz von 5% betragen die Investitionen 100. Das gleichgewichtige Einkommen Y* liegt bei 800.

Schritt 1: Durch geeignete Hilfslinien wird im unteren Diagramm die Kombination der aktuellen Zinshöhe i=5 und des zugehörigen gleichgewichtigen Einkommens Y* = 800 abgetragen.

Schritt 2: Der Zins fällt auf 3%. Die Investitionen steigen von 100 auf 200. Der Multiplikator k hat den Wert 4, so dass das gleichgewichtige Einkommen auf 1200 steigt . Die roten Hilfslinien übertragen die Zins-Einkommen-Kombination (3, 1200) in das untere Diagramm.

Schritt 3: Die Punkte im unteren Diagramm werden verbunden. Das Ergebnis ist die IS-Kurve im Zins-Einkommen-Diagramm. Jeder Punkt auf ihr zeigt ein Gleichgewicht auf dem Gütermarkt.

 

 

 

Zur Berechnung der IS-Kurve setzt man die Gleichung [4] entsprechende Spar- und die Investitionsfunktion [5] einfach in die Gleichgewichtsbedingung [2] ein:

[6]       [6]

[7]       [7]             (IS-Kurve)

Das 4-Felder-Diagramm in Abbildung 2 ist etwas komplizierter als die Konstruktion in Abbildung 1, liefert dafür aber eine exakte geometrische Ermittlung der IS-Kurve im ersten Quadranten. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die kopfüber dargestellte Sparfunktion und die gespiegelte Investitionsfunktion. Beachten Sie, dass die Werte an allen Achsen mit der Entfernung vom Ursprung zunehmen und dass die Ordinate unterschiedlich skaliert ist, je nachdem, in welcher Richtung man sich vom Ursprung aus bewegt. Ein Teil der Sparfunktion ist gestrichelt eingezeichnet, da die Skalierung der Ordinate im ersten Quadranten nicht für das Sparen, sondern für den Zinssatz gilt.

Von besonderem Interesse ist der dritte Quadrant. Hier ist die Gleichgewichtsbedingung I=S dargestellt, die auf der Winkelhalbierenden immer erfüllt ist. Die hervorgehobenen Konstruktionspunkte haben die gleichen numerischen Werte wie die in Abbildung 1. In Punkt P finden wir das Gleichgewicht bei 5 % Zinsen und einem Einkommen in Höhe von 800 wieder, im Punkt Q das Gleichgewichtseinkommen von 1200, das sich infolge der auf 3 % gefallenen Zinsen einstellt.

Abbildung 2

Abb. 2

4-Felder-Diagramm zur Konstruktion der IS-Kurve.

Die dritte Konstruktion in Abbildung 3 ist der zweiten sehr ähnlich. Sie ist zeichnerisch noch etwas aufwändiger, dafür sind aber keine Kurven auf den Kopf gedreht oder gespiegelt dargestellt. Die Spar- und die Investitionsfunktion sind hier wieder in der üblichen Ausrichtung dargestellt.

Abbildung 3

Abb. 3

Aufwändige 4-Diagramm-Konstruktion zur exakten Ableitung der IS-Kurve.

Welche Abbildung Sie verwenden, wird wahrscheinlich ganz wesentlich von Ihrer Dozentin oder Ihrem Dozenten beeinflusst. Im Grunde ist es eine Geschmacksfrage. Wir verwenden jetzt die Konstruktion aus Abbildung 3, um eine ungleichgewichtige Konstellation zu untersuchen. Dazu ist in Abbildung 4 nicht ganz willkürlich ein Punkt P unterhalb der IS-Kurve eingezeichnet. Der Punkt zeichnet sich allerdings nur dadurch aus, dass seine Koordinaten ganzzahlig sind. Prinzipiell gelten die Anmerkungen, die wir zu ihm machen, für jeden beliebigen anderen Punkt unterhalb der IS-Kurve.

Wenn wir ausgehend von P den Weg der Hilfslinien über den zweiten in den dritten Quadranten verfolgen, können wir Investitionen in Höhe von 200 ablesen. Gehen wir den alternativen Weg über die Sparfunktion finden wir in P' ein Sparen in Höhe von 100. Wir stellen also eine Überschussnachfrage am Gütermarkt fest. Beim herrschenden Zins reicht der Konsumverzicht nicht aus, die Investitionsnachfrage zu decken.

Abbildung 4

Abb. 4

Ungleichgewicht am Gütermarkt: In P ist eine Überschussnachfrage zu beobachten, da I > S gilt. [Maussensitives Diagramm]

Wie P korrespondiert jeder Punkt unterhalb der IS-Kurve mit einem Punkt P' im dritten Quadranten, der unterhalb der Winkelhalbierenden liegt. Da hier I>S gilt, können wir festhalten, dass Punkte unterhalb der IS-Kurve eine Überschussnachfrage oder inflatorische Lücke anzeigen. Umgekehrt beschreiben alle Situationen oberhalb der IS-Kurve ein Überschussangebot auf dem Gütermarkt, d.h. eine deflatorische Lücke.

Was wird in diesen ungleichgewichtigen Situationen passieren? Die Antwort auf diese Frage haben wir an Interner Linkanderer Stelle bereits gegeben - mit dem Hinweis, dass man bei der dynamischen Interpretation statischer Modelle Vorsicht walten lassen sollte. In einer Situation wie P, die eine Überschussnachfrage beschreibt, erwarten wir, dass die Unternehmen ihre Produktion ausdehnen werden - jedenfalls, sofern sie freie Kapazitäten haben. Abbildung 5 stellt dies durch einen Pfeil dar. Umgekehrt erwarten wir bei einem Überschussangebot eine Verminderung der Produktion. Diese Situation fänden wir z.B. im Punkt Q vor.

Abbildung 5

Abb. 5

Das Zins-Einkommen Diagramm: Überschussnachfrage (P)
und Überschussangebot (Q) lösen Anpassungsprozesse hin
zur IS-Kurve aus.

Jetzt können Sie berechtigterweise fragen, warum die Anpassung über die Produktion und nicht über den Zins erfolgt. Eine wirklich knifflige Frage! Ausgehend von Q könnte der Zins doch auch sinken, bzw. ausgehend von P steigen, so dass ein Gleichgewicht am Gütermarkt erreicht wird. In Q stellen wir nämlich fest, dass das Sparen die Investitionen übersteigt. Bildlich: Die Haushalte tragen mehr Geld zu den Banken, als die Unternehmen dort zu Investitionszwecken nachfragen. Das Überangebot an Kapital wird doch auf die Zinsen drücken, oder? Das ist vollkommen richtig, würden die Klassiker argumentieren. Sparen und Investitionen kommen über den Preismechanismus Zins zum Ausgleich.

Offensichtlich wurde gerade beschrieben, wie sich die Zinsen bilden. Die Zinsen sind in unserem keynesianischen Modell bisher aber exogen. Sie bilden sich nach keynesianischer Vorstellung nicht auf dem Güter-, sondern auf dem Geldmarkt, dessen Analyse uns noch bevorsteht.

Zuvor wollen wir zum Abschluss dieses Abschnitt noch drei Fragen klären: Was bestimmt die Steigung der IS-Kurve? Warum ist die IS-Kurve eine Gerade? Was verschiebt die IS-Kurve?

Wie die Konstruktionen deutlich machen, kann die Steigung der IS-Kurve nur von der Steigung der Sparfunktion und der Steigung der Investitionsfunktion abhängig sein. Wenn wir der Frage analytisch nachgehen und die IS-Kurve

[8]       [8]

nach Y auflösen

[9]       [9],

stellen wir fest, dass die Steigung vom Reaktionsparameter in der Investitionsfunktion und der marginalen Sparquote abhängig ist. Beachten Sie, dass der optische Eindruck dem Wert des Steigungskoeffizienten entgegengerichtet ist, da im Diagramm das Einkommen Y an der Abszisse abgetragen ist. Wir können in Gleichung [9] aber schön erkennen, wie sich das Einkommen im Multiplikatorprozess verändert. Der erste Term auf der rechten Seite zeigt den Schnittpunkt der IS-Funktion mit der Einkommens-Achse. Wenn sich also die autonomen Investitionen oder der autonome Konsum erhöhen, wandert dieser Schnittpunkt um das k-fache der Erhöhung nach rechts, denn der Kehrwert der marginalen Sparquote ist der Interner LinkMultiplikator.

Wenn sich die Zinsen ändern, hängt die Veränderung des Einkommens außer vom Multiplikator von der Sensitivität a ab, mit der die Unternehmen bei ihren Investitionsentscheidungen auf die Zinsänderung reagieren. Die nämlich bestimmt, mit welchem Betrag der Multiplikatorprozess überhaupt in Gang gesetzt wird. Je stärker dieser Effekt ist, desto flacher wird die IS-Kurve. Wenn Sie das nicht sofort erkennen - keine Panik, das ist im Diagramm nämlich nicht so ganz leicht zu überblicken. Bei einem höheren Wert von a verläuft die Investitionsfunktion flacher, denn im Externer LinkMarktdiagramm - in einem solchen ist die Investitionsfunktion dargestellt - sind die Achsen vertauscht. Eine gleich hohe Zinsänderung sorgt bei flacherer IS-Kurve für eine größere Reagibilität des Einkommens auf die Zinsen.

Ein besonderer Fall tritt ein, wenn die Unternehmen mit ihren Investitionen gar nicht auf Zinsänderungen reagieren. Wenn a Null ist, stehen die Investitionsfunktion und die IS-Kurve senkrecht. Das Einkommen ist dann allein durch die Höhe der autonomen Investitionen und durch die Höhe des autonomen Konsums bestimmt. Wie bereits erwähnt, bezeichnet man diese Situation als Investitionsfalle, in der eine Stimulation der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage über sinkende Zinsen versagt, jedenfalls auf der Schiene über die Investitionen der Unternehmen. Es mag sein, dass die Haushalte ihren Konsum ausdehnen. Das ist plausibel, wird aber vom Modell, so wie wir es spezifiziert haben, nicht erfasst.

Hinsichtlich der Linearität der IS-Kurve ist lediglich anzumerken, dass die IS-Kurve eine Kurve im wahren Sinn des Wortes wäre, wenn entweder die Investitions- oder die Sparfunktion oder beide Kurven wären. Inhaltlich würde sich nichts ändern. Für die graphische Konstruktion würden natürlich mehr als zwei Stützpunkte benötigt.

Schließlich sei noch erwähnt, dass sich die IS-Kurve selbstverständlich auch in Modellen ableiten lässt, die das Ausland und den Staat berücksichtigen. Das führt aber nicht zu grundlegend neuen Erkenntnissen. Wenn die Exporte oder die Staatsausgaben steigen, verlagert sich die IS-Kurve nach rechts. Wenn die autonomen Importe oder die Steuern steigen, verlagert sie sich nach links. Zudem ändert sich bei einer Änderung des Steuersatzes oder der marginalen Importneigung die Steigung der Kurve. Da beide eine dämpfende Wirkung auf den Multiplikator haben, wird die Kurve jeweils steiler, wenn die beiden Größen steigen.

 

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